Strategien zur Verbesserung der Adhärenz
Karl hat eine essentielle Hypertonie und ein beginnendes metabolisches Syndrom. Sein Arzt verordnet ihm ein Medikament und rät ihm dringend, seinen Lebensstil zu ändern. Karl ändert aber nichts, denn er geht – so wie viele Patienten – der »optimistischen Verzerrung« auf den Leim: Wenn uns etwas nicht sympathisch ist, denken wir uns die Risiken groß und den Nutzen klein. Die Therapiewaage basiert auf der Erkenntnis, dass ein Therapiekonzept letztlich nur so gut ist, wie der Patient willens und in der Lage ist, es umzusetzen. Welches Therapiekonzept für den Patienten am besten geeignet ist, hängt stark von seiner Bereitschaft zur Mitarbeit ab.
Schnelles Denken, langsames Denken
Die Therapiewaage basiert auf zwei theoretischen Säulen. Die erste Säule ist die Verhaltensökonomik. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman schreibt in seinem Bestseller »Schnelles Denken, langsames Denken«, dass wir in zwei unterschiedlichen Modi denken. Unser Alltagsmodus ist das schnelle Denken. Dabei greift unser Gehirn auf einmal gelernte Verhaltens- und Entscheidungsmuster zurück, auch wenn sie auf die aktuelle Situation nicht ganz genau passen. Diese Muster bezeichnet die Verhaltensökonomie als Heuristiken. Es handelt sich im Grunde um Daumenregeln, die hinreichend genau sind, um uns durch den Tag zu navigieren. Der andere Modus ist das langsame Denken. Das langsame Denken ist algorithmisches Denken, Beleuchten der vorhandenen Fakten möglichst ohne emotionale Artefakte, ungefiltertes Definieren von Optionen, »mathematisches« Bewerten der Optionen und kritisches Abwägen des Für und Wider. In diesen Modus lässt sich unser Gehirn allerdings nur widerwillig umschalten – es versucht, mit Heuristiken durch den Tag zu kommen, was normalerweise auch klappt, solange die zu bewältigenden Situationen nicht zu komplex sind. Heuristiken werden allerdings dann zu einer Entscheidungsfalle, wenn wir sie bei komplexen Entscheidungen anwenden. Mit der Therapiewaage kann ein Arzt seinem Patienten helfen, in den Modus des langsamen Denkens umzuschalten. Er führt ihn Schritt für Schritt durch den Entscheidungsprozess.
Angewandte Lerntheorie
Die zweite theoretische Säule der Therapiewaage ist die Lerntheorie. Unser Gehirn tut sich schwer mit dem Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten und Risiken, wie sie bei Therapieentscheidungen eine Rolle spielen. Die Therapiewaage bietet dem Arzt die Möglichkeit, dem Patienten seine Risiken zu visualisieren und damit intuitiv verständlich zu machen. Die Therapiewaage ist angewandte Lerntheorie, nicht nur, weil Informationen visualisiert werden, sondern auch, weil der Patient selbst aktiv miteinbezogen wird – ganz im Sinne des bekannten Zitats von Konfuzius: »Erkläre mir, und ich vergesse. Zeige mir, und ich erinnere. Lass es mich tun, und ich verstehe.«
Wie funktioniert die Therapiewaage?
Fazit
Die Therapiewaage ist ein Instrument, mit dem der Arzt seinen Patienten Schritt für Schritt zur richtigen Therapieentscheidung führen kann. Dabei wird der Patient aktiv in den Prozess einbezogen. Die Prinzipien der Therapiewaage sind das Begreifbarmachen von Wahrscheinlichkeiten mittels Visualisierung und das Explizitmachen von Kriterien, die die Entscheidung des Patienten beeinflussen. Ein weiterer Effekt der Methode ist, dass der Arzt die tatsächlichen Beweggründe seines Patienten besser versteht und somit viel gezielter Einfluss nehmen kann.